Jeden Tag wurden die Wanderschuhe geschnürt, und selbst am Erholungstag gings einen Abstecher rauf zum „kleinen Hundstod“, einem Aussichtsberg über der Ingolstädter Hütte. 13 Schülerinnen und Schüler gestalteten ihren Unterricht einmal ganz anders. Die Idee dazu hatten Gerd Rauch und Eva Wagner, Tutoren in der Klassenstufe 9. Gerd Rauch leitet das Talentfach „Alpentour“, das mit Streckenplanung, Trainingseinheiten, der Finanzplanung und Buchung die Schüler/innen selbsttägig in die Organisation einbezieht. So waren seit dem Herbst 2023 planungstechnisch die Zweitausender im Blick - und diese mächtigen Berge wollten und sollten nun Anfang Juni erklommen werden. Außer vom Schweiß triefte die Kleidung des Öfteren auch vom Regen, manchmal mischte sich sogar eine Schneeflocke unter das, was mehr als ausreichend vom Himmel kam. Die Schneefelder beidseits der Wege und Trails fielen bereits ab dem zweiten Tag niemandem mehr auf. „Es war echt manchmal eine Tortur. Doch wenn man dann ganz oben angekommen ist“, schwärmt Kathie aus der 9d, „dann sind alle Strapazen vergessen, dann wirkt alles sehr, sehr majestätisch“. „Man will gar nicht mehr zurück“, ergänzt Aaron, ebenfalls 9d, und meint damit die Zivilisation da unten, die Dörfer und Städte, die Straßen und der Lärm. „Man ist hier so eng mit der Natur verbunden, dass alles um einen herum egal wird.“ Auch für seinen Bruder, Aragon, was das deshalb „ein ganz ganz geiles Ding“.
Dieses „geile Ding“ war eine achttägige Wanderung mit Rucksack, ausreichend Kraft und Kondition von Berchtesgaden über den Jenner-Berg, den Funtensee zum Kärlinger Haus, weiter ins angrenzende Österreich zur Ingolstädter Hütte und von dort wieder zurück nach Berchtesgaden. Das waren insgesamt 48,85 km Strecke bei 3899 Höhenmeter bergan und 4095 Höhenmeter bergab. „Beim Wandern sind auch die Abstiege mitzurechnen“, erklärt Aaron. „Denn anders als beim Radfahren kann man nicht einfach rollen lassen, Gelenke und Beinmuskulatur sind schon ganz schön beansprucht.“
Für die 13 Jugendlichen im Alter von 14 bis 15 Jahren war diese Alpentour ein einmaliges Erlebnis. Obwohl sie ordentlich trainiert hatten, stellte das Hochgebirge eine ungleich größere Herausforderung dar als ein noch so abenteuerlicher Trail im Saarland. Dass Wadenkrämpfe und Muskelkater schnell überwunden wurden, war nicht nur der guten mineralischen Versorgung der Gruppe geschuldet, sondern auch und vor allem dem ausgezeichneten Essen in den urigen Wanderhütten. „Es war viel, hat satt gemacht und war extrem lecker, einfach bombastisch“. Aragon ist noch immer megabegeistert, als er von dem Kaiserschmarrn erzählt, der in der Ingolstädter Hütte den Nachtisch bildete. Auch das „Skiwasser“ bleibt in Erinnerung, mit Himbeer- oder Zitronensirup versetztes Mineralwasser. Während der Wanderungen erfrischte man sich auch in den kristallklaren Quellen, insbesondere als es zum Highlight der Tour, einen 2100 m hohen Grat unter dem Watzmanngipfel, ging. „Viel los war nicht“, erklären die drei, was auch am unbeständigen Wetter lag. Doch Nässe und kühle Temperaturen ertrugen sie ebenso stoisch wie die Schafe, Kühe und Gemsen, denen sie unterwegs mehr als einmal fast die Hand bzw. den Huf schütteln konnten. „Am tollsten waren die Murmeltiere“. Wenn man sie nicht sah, so hörte man sie doch mit ihrem durchdringenden Pfeifen“, berichtet Aaron. Und nicht selten lugte ein vorwitziges Köpfchen über die Felsen und Kräuter am Wegrand hervor, was alle immer wieder aufs Neue begeisterte. Mit gegenseitiger Unterstützung und den Adrenalinschüben beim Anblick der noch schneebedeckten Alpengipfel schafften es alle, die Tagesetappen zu bewältigen. Danach teilte man nicht nur Tisch, sondern auch den Schlafraum in den rustikalen Berghütten und auch das kalte Wasser zum Waschen. So wuchs die Gruppe mit jedem Tag stärker zusammen, wuchs jeder über sich hinaus und schaffte etwas, woran zuvor nicht wenige gezweifelt hatten. Kathies bleibendes Erlebnis ist der Sonnenuntergang auf dem „kleinen Hundstod“. Die Farben des Horizontes, das bronzefarbene Alpenglühen der Gipfel, die von Osten heraufziehende Dunkelheit, das sei schon „voll crazy“ gewesen.
Die Gemeinschaftsschule Marpingen ausgezeichnet als Schule der Nachhaltigkeit, und so sei es selbstverständlich gewesen, bei der An- und Rückreise auf öffentliche Verkehrsmittel zu setzen, erklären Wagner und Rauch abschließend. Und dass Wandern eine nachhaltige Fortbewegungsart ist, die unmittelbare Erfahrung mit der Natur, mit Wind und Wetter ermöglicht, ganz ohne Handyempfang, Likes und Posts, müsse, so meinen die beiden Organisatoren, ja eigentlich nicht extra noch erwähnt werden.