Vor genau zwei Jahren verstarb Charlotte. Sie war eine der ersten Schulhündinnen im Saarland und sorgte über fast zehn Jahren für ein angenehmes Lernklima an der Gemeinschaftsschule Marpingen, das sowohl jüngere als auch älteren Schülerinnen und Schülern zu schätzen wussten. Ihre Nachfolgerin Nika hat auch bereits die Herzen erobert.
„Mittlerweile hat sich das Schulhundkonzept in vielen Schulen durchgesetzt“, erklärt Martina Pape, Lehrerin in Marpingen und zeitgleich Schulhund-Frauchen. „Als wir im Jahre 2011 damit erstmals in Marpingen starteten, war es noch etwas Ungewöhnliches und wir mussten durchaus gegen einige Widerstände ankämpfen.“ Dass ein Hund im Unterricht beruhigend und konzentrationsfördernd wirkt, weiß man in Marpingen nicht nur aus diversen Dokumentationen und Untersuchungen, sondern aus eigener Erfahrung. „Als Frau Pape im 5. Schuljahr unseren damaligen Schulhund Charlotte mitgebracht hatte, waren wir alle sofort mucksmäuschenstill, denn Lärm konnte Charlotte gar nicht leiden“, berichtet Teresa Kraus, Klassenstufe 11 und zwei Jahre vor ihrem Abitur. Dabei strahlen ihre Augen so, als wäre es gestern erst gewesen.
Nika tritt daher in bereits vorhandene Fuß- …ähh Pfotenstapfen. Und diese sind ihr keineswegs zu groß. Wie Charlotte ist sie ein sanfter Labradoodle, ein liebevolles Wollknäuel mit unzähligen, allerdings tiefschwarzen Locken, einem freundlichen Wesen und ausgezeichneten Manieren. Nika kann so herzerweichend aus ihren großen Augen blicken, dass selbst der ungestümteste Fünftklässler handzahm wird. In einer mehrmonatigen Ausbildung zum Schulbegleithund hat sie gelernt, in wechselnden Gruppen ruhig und gelassen zu bleiben, vielfältige Tätigkeiten auszuführen. D.h. sie regiert nicht nur auf „Sitz“ oder „Platz“, sondern kann aktiv mit einem Stups ihrer Nase den Kontakt zu den Kindern und Jugendlichen herstellen, sogar Karten ziehen und mit der Pfote eine Klingel betätigen. „Das ist immer sehr lustig, wenn Nika klingelt oder uns für eine Gruppe mit den Karten auslost“, meinen Leni Kirsch und Elias Paulus aus der 6a. Doch nicht nur Nika, auch Frauchen Martina, obwohl bereits seit vielen vielen Jahren Lehrerin, musste zuvor erneut die Schulbank drücken und die Theorie der tiergestützten Pädagogik, die hygienischen und rechtlichen Basics erarbeiten sowie einen Blick in die Hundepsychologie werfen, um auch Nikas Belastungsgrenzen zu erkennen.
Seit Beginn des Schuljahres ist Nika nun vollwertiges Mitglied der Schulgemeinschaft und hat tatsächlich einen eigenen Hundeplan bekommen, den sie allerdings – trotz aller Anstrengung – noch immer nicht selbstständig lesen kann. Aber in ihrer Treue stapft sie gemütlich mit ihrem Frauchen Martina durch die Flure, liebt aufgeräumte Klassen (was die Schüler:innen auch animiert, den Raum ordentlich zu halten), sorgt regelmäßig für eine angenehme Atmosphäre – und das ganz ohne Ermahnung. In den unteren Klassen werden eigene Kuschelzeiten in den Unterricht miteingebaut. „Diese sind wichtig, denn Nika spricht Kleine und Große ja auch emotional an und sensibilisiert dafür, ihre Signale und Bedürfnisse richtig zu deuten“, erläutert Martina Pape.
Neben der eher begleitenden Aufgabe als Unterrichtshund ist Nika der eigentliche Mittelpunkt, der Star, in der Hunde-AG. U.a. stehen gemeinsame Spaziergänge mit verschiedenen Aufgaben für Nika, das Erlernen kleiner Kunststückchen oder einfach nur Knuddeln und Spielen mit ihr auf dem Stundenplan. Das sei v.a. für Kinder ein großes Erlebnis, die zu Hause kein Haustier besitzen, und vermittele Freude an der Schule bzw. im Schulalltag. Zugleich lernen sie dabei den sorgsamen Umgang mit einem Haustier.
Natürlich ist auch die Hygiene wichtig. Regelmäßige Reinigung von Decken und Napf, Impfungen und Entwurmungen, die tierärztliche Kontrolle, Prophylaxe von Zecken- und Flohbefall sind selbstverständlich, die Handhygiene nach jedem Kontakt mit dem Hund wird eingeübt. Sollte eine Tierallergie bei Schüler oder Lehrern vorliegen, wird der Kontakt umgehend unterbunden, Küche und Aufenthaltsräume sind für sie tabu.
Das klingt nach einem strengen Regiment, doch Nika nimmt es gelassen. Ganz entspannt folgt sie Martina Pape in die Klasse 6a und zaubert wie von Geisterhand den Mädchen und Jungen ein Lächeln ins Gesicht. Dann legt sie sich mitten im Raum auf ihre bunte Hundedecke, döst vor sich hin und scheint sich dabei ein wenig zu wundern, was denn die kleinen und großen Menschen um sie herum so treiben. Offenbar zufrieden, nicht mit Mathematik und Rechtschreibung behelligt zu werden, schließt sie die Augen, bis nur noch ein leises Ein- und tiefes Ausatmen zu vernehmen sind.