Vielfältig und z.T. kontrovers waren die Eindrücke und Diskussionen. Nicht nur die sprachliche Vielfalt, sondern auch die unterschiedlichen Interessen in der Europäischen Union wurden mehr als deutlich. Weitaus informativer, v.a. aber authentischer als jede Unterrichtsstunde vermittelte der direkte Eindruck vor Ort Kenntnisse über Politik und politische Abläufe in Europa. So braucht es keiner schriftlichen Überprüfung mit Notengebung, um Wissen nachhaltig zu vermitteln.
Auf Ihrer Kursfahrt nach Brüssel, in die „Hauptstadt der EU“, waren die 20 Schülerinnen und Schüler der Klassenstufe 12 der Gemeinschaftsschule Marpingen gefordert: Katalin Brenner informierte im Nachbargebäude des Dienstsitzes von Ursula von der Leyen, der gegenwärtigen Kommissionspräsidentin, aus ihrer ganz besonderen Perspektive über die Arbeit der europäischen Kommission, die vereinfachend und inhaltlich nicht ganz richtig auch als „Regierung“ der EU bezeichnet wird. Als engagierte Vertreterin der gesamteuropäischen Interessen erläuterte die achtsprachige Mitarbeiterin Strukturen und Herausforderung europäischer Entscheidungsprozesse. Über die Rolle Deutschlands und anderer Länder auf europäischer Ebene fand sie durchaus auch kritische Worte. Dabei war ihre Perspektive tatsächlich europäisch: Als Ungarin mit polnischen Wurzeln, mit Ausbildung in Deutschland und Arbeitserfahrungen in Italien, Spanien und aktuell in Belgien gelang es ihr, den jungen Marpingerinnen und Marpingern eine völlig neue Sichtweise auf die europäische Politik zu vermitteln.
Z.T. kontrovers hierzu stand der Besuch im Europäischen Parlament, keine 200 m entfernt, auf Einladung der EVP Abgeordneten Christine Schneider aus der Vorderpfalz. In den engagierten Diskussionen im Anschluss an einen Führung durch das Gebäude wurde deutlich, dass sie ihre Aufgabe darin sieht, die Interessen der Bürgerinnen und Bürger ihres Wahlkreises in Europa zu vertreten. Trotz der Zusammenarbeit über die nationalen Grenzen hinaus bringe sie dennoch ihre eigene, deutsche Sichtweise in die politischen Entscheidungen der EU mit ein.
Wie dieses Entscheidungsprozesse organisierte sind und ablaufen, konnten die jungen Leute im fast dreistündigen Planspiel zur europäischen Politik im Parlamentarium hautnah erleben. In eigens hierfür konzipierten Planspielbereich sind Bildschirme, Ausschussräume, eine Plenum mit Lobby und sogar Interviewstationen fest eingebaut, sodass die tatsächlichen politischen Abläufe unmittelbar durchgespielt werden können. Die Informationen erfolgen über Bildschirme in den Sprachen der befragten Parlamentarier, der VertreterInnen der europäischen Institutionen bzw. der Expertinnen, deutsch untertitelt und 100% orientiert an den realen Abläufen in Brüssel. Am Ende mussten die in vier Fraktionen aufgeteilten SchülerInnen einen Kompromiss zu den beiden Vorschlägen zum Trinkwasserschutz und zur Digitalisierung finden und wie im benachbarten Plenum des Europäischen Parlaments abstimmen.
Eine erneut neue Perspektive erhielten die Zwanzig in der gemeinsamen Vertretung des Saarlandes und der frz. Region GrandEst bei der EU. Im recht übersichtlichen, aber repräsentativen Jugendstilgebäude wurden sie nicht nur zweisprachig über die Rolle der beiden Nachbarregionen in Europa informiert, sondern erhielten bei einem leckeren Petit Encas, einem Stehimbiss, einen Eindruck davon, wie der politische Austausch auch in lockerer Atmosphäre stattfinden kann. Als Ergänzung zu diesen politischen Erfahrungen führte der Besuch im Haus der Geschichte Europas multimedial in die gemeinsame Geschichte der Länder der Europäischen Union ein.
Bei all dieser geschichtlichen und politischen Auseinandersetzung kam auch die Freizeit nicht zu kurz. Die optimale Lage des coolen Backpacker- Hotels im Stadtzentrum ermöglichte es, alle Sehenswürdigkeiten und die vielfältigen Einkaufsmöglichkeiten Brüssels fußläufig zu erreichen. Besonders die Schokoladen-, Comic- und Biertradition Belgiens stieß auf große Resonanz. Ein Konzert in der nahen Veranstaltungshalle Ancienne Belgique, ein Bowlingabend und Ausflüge zum Atomium, nach Brügge und zum Sundown ans Meer in Ostende rundeten die abwechslungsreiche Studienfahrt ab.
Damit dieses besondere, europapolitische Programm auch für alle finanzierbar war, förderten die Union-Stiftung und die Sparkassenstiftung mit nicht unerheblichen Beträgen diese Exkursion. Auch der schuleigene Förderverein engagierte sich bei der Finanzierung. Bei allem stand die Nachhaltigkeit der Exkursion ganz oben auf der Agenda. Anfahrt, Rückreise und Ausflüge erfolgten mit öffentlichen Verkehrsmitteln, was allerdings auch zu Umsteigestress und diversen Verzögerungen führte. Doch der Blick auf die vollen Autobahnen zeigte: Mit Auto und privatem Bus ginge es auch nicht schneller und v.a. weniger umweltfreundlich.