Rund 100 Jungen und Mädchen folgten in der Aula der Gemeinschaftsschule Marpingen konzentriert dem Vortrag von Eberhard Wagner, Vorsitzender des Marpinger Vereins „Wider das Vergessen und gegen Rassismus“. Der Anlass war ein doppelter. Zum einen jährte sich am 27. Januar zum 79. Mal die Befreiung des KZ Ausschwitz, eines der größten der vielen Vernichtungslager der Nazis. Zum anderen sind rechtsextremes und menschenverachtendes Denken wieder auf dem Vormarsch. Die politische Lage in der Welt erscheint vielen so komplex und unüberschaubar, dass einfache, ausgrenzende, rassistische Deutungen wieder – wie zu Beginn der 30er Jahre - in Deutschland und Europa salonfähig werden und auch vor der jungen Generation nicht Halt machen.
Eberhard Wagner ist einer der unermüdlichen Kämpfer, die die Erinnerung an das Leid der Millionen Opfer der Naziverfolgung aufrechterhalten. Zusammen mit weiteren engagierten Vereinsmitgliedern wurden sorgfältig Informationen zu Opfern und Tätern aus der Gemeinde Marpingen recherchiert und zusammengetragen. Der Verein will so mit- und nacherlebbar machen, dass es sich bei den Opfern um ganz normale Menschen wie du und ich handelte, dass die Täter keine Monster waren, sondern sich hinter bürgerlichen Fassaden verbargen. Unter diesen Tätern sind, wie es die Nachforschungen des Vereins deutlich machten, auch zwei Marpinger, die auch noch nach der NS-Zeit als „Helden“ verehrt wurden, obwohl sie als Unter- und Oberscharführer der SS an den grausamen Verbrechen gegen Juden, Andersdenkende, gegen Sinti und Roma, gegen Homosexuelle und im Euthanasieprogramm gegen kranke Menschen an vorderster Front beteiligt waren, Vertreibung, Folter, Tod zu verantworten hatten. Eberhard Wagner spricht dies unumwunden an und nennt auch die Namen der Täter. Das sei wichtig, denn sonst „wiederholt sich die Geschichte“, wie er mehrmals betont. 1963, so veranschaulicht er seine Position, 18 Jahre nach dem Ende der Nazis, 14 Jahre nach Gründung des demokratischen Deutschlands, tauchte in Marpingen ein „Ehrenbuch“ auf, das diese Massenmörder, Folterer, Sadisten als Helden aufführte, was verdeutlicht, wie tief das Nazidenken im Bewusstsein von einigen verankert sei.
Die jungen Zuhörer spüren das Engagement des Vereinsvorsitzenden, der auch auf die Opfer, einen Marpinger Arzt und drei Kinder aus Urexweiler, eingeht, Menschen, die vor der Ausbreitung der Naziideologie in der Gemeinde angesehen und wie im Falle eines Dorfhändlers sogar mit ihrem Spitznamen allbekannt waren. Alle verloren ihr Leben durch die Nazis und ihre Unterstützer. Auch kommen Widerstandskämpfer zu Wort, die mit dem Anschluss des Saargebietes an Nazideutschland Anfang 1935 zumeist ins Ausland flüchteten.
Wagner belässt es nicht bei den unerhörten Zahlen derer, die unter dem Rechtsextremismus der Nazis ihr Leben auf so grausame Weise verloren, er belässt es nicht dabei, nur allgemein von Tätern zu sprechen. Es gelingt ihm, mit den Einzelschicksalen Betroffenheit und bei der Nennung und Beschreibung der Täter auch Emotionen und Abscheu hervorzurufen, auch und gerade bei den jungen Zuhörern, für die Hitler und der Nationalsozialismus weit entfernt sind. Doch damit Geschichte sich nicht wiederholt, sei eine solche, auch emotionale Ansprache ungemein wichtig. „Europaweit nehmen Nationalismus und Rechtspopulismus immer weiter zu. Wohin dies führen kann, ist an unserer eigenen deutschen Geschichte zu sehen“, beginnt er seinen Vortrag und mit diesem Blick auf die Gegenwart schließt sich auch der Kreis für die zuhörenden Schülerinnen und Schüler der Gemeinschaftsschule. Dass so etwas nie wieder passieren darf, darin sind sie sich einig. Auch darin, dass es dafür des persönlichen Einsatzes bedarf, allen, die heute wieder zu Hass und Hetze aufrufen, entschieden entgegenzutreten.