Die Landschaft ist großartig. Von 800m Höhe überblickt man das grüne Bruche-Tal. Im Nordwesten erhebt sich der Doppelgipfel des Donon, nach Süden hin ahnt man schon den Hohneck und die höchsten Gipfel der Vogesen. Hier, inmitten der Idylle des Gebirges, ließen die Nazis ein Konzentrations- und Arbeitslager errichten. „Es ist sehr beklemmend und schwer zu ertragen“, erklären Selina Khiar, Mia Link und Zoe Klein, „wenn einem bewusst wird, wie schlimm das alles war.“ Die drei Mädchen waren Teil einer 50-köpfigen Schülergruppe der Gemeinschaftsschule Marpingen, die zusammen mit ihrem Geschichtslehrer Patrick Gotthard und den Klassenlehrern Martina Eckert und Thomas Moll Anfang Mai das ehemalige Konzentrationslager Stutthof im Elsass besichtigten. Unter Leitung von Jean Marie Martin erhielten die Schülerinnen und Schüler der Stufe 9 fundierte Informationen zu dem perfiden Rassismus der Nationalsozialisten, die sich – in bewusst zynischer Manier – solche paradiesischen Landschaften auswählten, um hier ihre menschenverachtenden Lager aufbauen zu lassen – und zwar von den Gefangenen selbst.
„Die Treppenstufen auf dem Hanggelände waren immer abwechselnd 15cm und dann 30cm hoch“, berichtet Zoé Klein. Sie waren Teil des sadistischen Lageralltags, um die Insassen zusätzlichem Leidensdruck auszusetzen. „Die SS wollte die unschuldigen Menschen so zusätzlich quälen, da die oft gebrechlichen Männer und Frauen über die ungleichen Stufen stolperten und sich oft erheblich verletzten“, ergänzen Selina und Mia. Der Galgen und die Versuchslabors neben den Verbrennungsöfen gehörten mit zum Erschreckendsten während der Führung über das weite Gelände. „Das hat uns echt umgehauen“, berichten Rene Fuchs, Leon Brandt, Etienne Alt. Für sie ist auch der Kontrast zwischen dem menschenverachtenden Lager, in dem 20.000 Lagerinsassen umkamen, und der danebenliegenden Villa des Lagerkommandanten eine Schande.
Jean Marie Martin erklärte den Jugendlichen altersgerecht, wie grausam die SS mit den Menschen umging, die sie als Ungeziefer ansah, das man ausrotten musste. Er verwies darauf, dass nur vier Gefangenen die Flucht gelungen war und dass sich über den Schornstein des Krematoriums die Asche der getöteten und der unter der Sklavenarbeit gestorbenen Menschen über das ganze Lager verbreitete. „So gesehen ist das gesamte Gebiet hier ja ein einziger Friedhof“, meint Selina Khiar. Dass sie sich hier respekt- und ehrfurchtsvoll zu bewegen hatten, war ihnen allen klar. Einigen fiel es sichtlich schwer, das Erzählte mit der heutigen Bergidylle in Einklang zu bringen. Es war der einfühlsamen Schilderung Jean Marie Martins zu verdanken, dass wirklich alle in sich gekehrt zurück zum Bus gingen und sich mit ihren eigenen, ganz persönlichen Eindrücken konfrontiert sahen. „Es sind solche Erfahrungen“, betont Patrick Gotthardt, „die weitaus wichtiger sind als alle Informationen, die man im Klassenraum vermittelt oder in Schulbüchern nachlesen kann.“ Daher werden auch in Zukunft Exkursionen zu den Orten dieses dunklen Kapitels der deutschen und europäischen Geschichte auf dem Schulprogramm stehen. „Damit jede neue Schülergeneration daran erinnert wird“, ergänzt Gotthardt, “wie wichtig es ist, sich gegen solche menschenverachtenden Ideen zu wappnen“.