Saarbrücken baut sein innerstädtisches Radwegenetz aus, Luxemburg und Metz werden zu Vorreiten der Radmobilität, Trier ist traditionell bereits eine Radfahrerstadt. Während die großen Städte in Saar-Lor-Lux die Infrastruktur für Radfahrer erweitern, sieht es im Kreis St. Wendel damit noch sehr „mau“ aus. Im Sommer ist erstmals eine Radspur in der St. Wendler Innenstadt ausgewiesen worden. Ansonsten dominiert weiterhin die Auto-mobilität.
Das Fahrrad wird gegenwärtig zunehmend als Sportgerät entdeckt, E-Bikes machen das St. Wendler Land auch für weniger Geübte zum Zweirad-Eldorado. Doch für Alltagsfahrten, sei es zur Schule, zur Arbeit, zum Einkaufen, wird zumeist (noch) auf den motorisierten Untersatz zurückgegriffen. „Stadtradeln“ will das ändern und die Gemeinschaftsschule Marpingen ebenfalls. Es ging beim 21-tägigen Projekt vom 6. bis 26. September 2020 darum, möglichst viele Alltagswege mit dem Fahrrad zu erledigen. D.h. um zur Schule, zur Arbeit, zum Einkaufen, zum Arzttermin zu gelangen, nicht mehr primär auf das Auto zurückzugreifen, sondern in die Pedale zu treten. Ziel ist es, den Alltag ökologischer zu gestalten, sich bewusst für die umweltfreundliche Alternative bei der Alltagsmobilität zu entscheiden und damit auch Druck auf politische Entscheidungsträger/innen auszuüben, das Wohnumfeld fahrradfreundlicher zu gestalten. 2020 haben bundesweilt fast 500 000 Radlerinnen und Radler mitgemacht und mit den registrierten Radkilometern über 15 000 t CO2 eingespart.
Auf Initiative des stellvertretenden Schulleiters Thomas Alt nimmt die Gemeinschaftsschule Marpingen bereits zum zweiten Mal an diesem Projekt teil und hat es 2020 geschafft, dass sich 137 Schüler und Lehrer und sogar einige Eltern angemeldet haben. Für den - was die Alltagsbenutzung des Fahrrades angeht – unterrepräsentierten Kreis St. Wendel ist das ein bemerkenswertes Ergebnis. Der in Eigeninitiative aufgebaute, improvisierte Fahrradständer ist überfüllt und symbolisiert in den 21 Tagen des Projektes, dass es auch anders geht, dass viele junge Leute sich bewusst für das klima- und umweltfreundliche Fortbewegungsmittel Fahrrad entscheiden und damit auch nach außen zeigen, dass ein Umdenken notwendig ist. „Es gehen immer noch viel zu viele unserer Schülerinnen und Schüler davon aus, dass Mobilität = Auto bedeutet“, bemerkt Georg Wilhelm, seit Jahren Unterstützter des Alltagsradelns in der Schule. Gerade wer von Alsweiler oder Berschweiler kommt, kann zur Schule gut ausgebaute Radwege benutzen. Mit kräftigen Waden oder elektrischer Unterstützung lässt sich auch der ein oder andere größere Hügel bewältigen. Das alles ist heute kein Problem mehr. Schwieriger ist es dagegen, manche Autofahrer zu einem rücksichtsvolleren Fahrverhalten gegenüber Radfahrern zu bewegen. Und auch der ein oder andere Rennradler kümmert sich wenig um den übrigen Straßenverkehr. Wie dem auch sei, das Projekt will auch und v.a. Autofahrer sensibilisieren, dass die Straße nicht alleine den motorisierten Gefährten gehört – und Politiker und Politikerinnen dazu auffordern, ENDLICH auch im Kreis St. Wendel mehr in das Alltagsradfahren zu investieren. Eine Radspur in St. Wendel ist da zu wenig. In Marpingen gibt es noch nicht einmal einen optischen Hinweis darauf, dass auch Radfahrer am Verkehr teilnehmen – uns so verhalten sich oft auch Autofahrer in der sehr engen Ortsdurchfahrt.
Die 137 aktiven Schülerinnen und Schüler und Lehrer der Marpinger Schule setzen daher ein Zeichen, dass alltägliche Fahrten auch mit dem Rad erledigt werden können und sollten, will man nicht nur verbal, sondern auch praktisch den Klima- und Umweltschutz in den Alltag integrieren. Dass damit auch die persönliche Gesundheit profitiert, ist mehr als ein Nebeneffekt. Im Wettbewerb Stadtradeln ist die Gemeinschaftsschule Marpingen auf jeden Fall ganz vorne mit dabei. Die 19 Teams (darunter auch der Schulförderverein) und die insgesamt sage und schreibe 11 748 geradelten Kilometer sprechen da ihre eigene Sprache: Auch mit eigener Muskelkraft kommt man von A nach B – es braucht dazu nicht das Auto! Thomas Alt gibt sich daher zuversichtlich: „Wir sind, was das Fahrrad angeht, Vorreiter und hoffen, dass sich nicht nur weitere Schülerinnen und Schüler, sondern auch viele Marpinger, Tholeyer, Oberhaler und St. Wendler an dieser Aktion beteiligen, sodass Alltagsfahrten mit dem Rad selbstverständlich werden – in Marpingen und im gesamten Kreis St. Wendel.“ Wenn dann auch der Schulträger diesem Trend Rechnung tragen würde, könnte die Marpinger Schule endlich auch mit der seit langem schon in Aussicht gestellten Fahrradabstellanlage ausgestattet werden, ergänzt er mit einem Seitenblick auf die Verantwortlichen im Landkreis.